Augenblick mit einem Käfer

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Herzallerliebste Zweibeiner. Meine Begegnung mit einem Menschenwesen, das sich im Genesungsprozess befindet, ist käferspeziell. Auf ihrem Spaziergang mit Ava, deren Texte Du vielleicht schon gelesen hast, begegnen wir uns. Ich bin ein wunderschöner zauberhafter rotgestreifter Käfer auf einer Blüte, der sie in sein Naturbuddha-Universum mitnimmt.

Ihre Gedanken flirren im Wind, die Nerven zittern. Die 2beinerin befindet sich, wie ein Teil von ihr glaubt, im freien Fall ins Nichts. Das alte Ich ist gestorben und das Neue noch nicht ganz geboren. Der Dämon des „wann geht es mir endlich wieder gut?“ plus Unsicherheit über das, was kommt, ergreifen immer wieder Besitz von ihr. Dank ihrer Hündin muss sie im Naturreich spazieren gehen. Die Naturbuddhas und meine geflügelten Kollegen warten auf Seelenwesen, um deren Gedanken auf das Wesentliche zu lenken und Seelenbotschaften zu übermitteln.

Es gibt wohl wenig, was für Euch Leistungszweibeiner herausfordernder ist als Nichtstun über einen langen Zeitraum. Begleitet von dem Gefühl nicht mehr in das alte Leben zurückkehren zu können und ehrlicherweise zu wollen. Dich dieser Angst zu stellen und weiter zu atmen, ist die Aufgabe. Atme das angstvolle Gefühl ein und schaue, wo sich diese in Deinem Körper befindet, verbinde Dich mit allen Wesen, die ebenso empfinden. Beim langen Ausatmen denke an Vertrauen und entspanne Dich in dieses Gefühl hinein als würdest Du vom Meerwasser getragen, schwerelos. Diese Übung sollte es auf Rezept geben.

Das Lohnarbeitssystem verleiht vielen erst Sinn und Wert in einer pseudodauerbeschäftigten Welt, die sich hauptsächlich über Konsum und Status definiert. Müßiggang und das Innehalten von allem Tun wird nicht wirklich als sinnvolle „wertige“ Beschäftigung angesehen.

Du kannst kaum sein und es genießen, ohne zu tun. Aus Käfer- und Naturbuddhasicht recht seltsam. Das Ruhen auf einer Blüte ist mein Naturrecht. So auch Euer Dasein auf dem Planeten ein Geschenk ist, das nicht an Bedingungen gebunden ist oder erst verdient werden müsste.

Nach langen Wandlungs- und Leidensphasen ist es bedeutsam, die leere Zeit schätzen zu lernen, in denen sich Neues vorbereitet. Die Momente des Selbstverständlichen und Guten wirklich zu entdecken, wie das warme Duschwasser, die Tasse Kaffee, die Blumen und zauberhaften schillernden Käfer, die Du täglich erblickst. Das bedeutet Übung und viele Wiederholungen, um die Fokussierung Deines Geistes von den kleinen und großen Weltuntergangsszenarien abzuwenden und Deine Gedanken zu kultivieren, wie einen Blumengarten.

Als ihr Auge mich auf der Blüte entdeckt, hält sie inne und mein Käferuniversum trägt ihre Gedanken hinfort in die Zwischenräume. Eine Käferewigkeit – in ihrer Welt einige Sekunden. Meine natürliche Käfergabe ist Deine tiefste Lebensweisheit zu aktivieren. Wenn ich auch äußerlich eine harte Schale habe, bin ich innerlich sehr zart und zerbrechlich. Wir Käfer symbolisieren das ewige Werden und Vergehen, sowie die Gegensätze, die Dich dazu einladen in die Zwischenräume zu blicken. Die Augenblicke, in denen Du die Schönheit des Seins im Moment entdeckst und Dankbarkeit für das Selbstverständliche entwickelst.

Ich gehöre als Geflügelter zu den geistig luftigen Botschaftern im Reich der Naturbuddhas. Bevor etwas Neues entstehen kann, gilt es das Vergangene ganz loszulassen.

Und zwischenzeitlich kann ein 2Beiner auch einfach mal davon fliegen.

Dein Käfer

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